Das Schöne an Kanban ist seine Leichtigkeit. Im Gegensatz zu Scrum bei dem man zwischen drei und zehn Sprints braucht bis die Sache rund läuft, reichen bei Kanban schon Wochen aus. Kanban alleine ohne ein paar Scrum Techniken ist allerdings fimschig. Ich bevorzuge deswegen Scrumban, sozusagen das Beste aus beiden Welten. Schön und gut, sagen Sie jetzt, aber wozu Kanban oder sonstwas?
Warum Kanban?
Kanban bietet Transparenz, einen Fokus auf die Dinge zu Ende zu bringen, und die Vermeidung von Waste. Waste bedeutet Verschwendung und bezieht sich auf alles was verhindert, dass ein Vorgang fertiggestellt wird. Das Hauptziel von Kanban ist die Dinge beim Kunden ankommen zu lassen. Kanban maximiert den Durchsatz in dem es ein System schafft das durch Transparenz Engpässen und Waste aufzeigt und von vornherein verhindert. Außerdem macht Kanban Schluss mit Multitasking.
Warum Scrumban?
Weil Rosinen picken geil ist. Durch die Verwendung von ausgewählten Scrum Techniken gewinnt Kanban an Substanz, ohne seinen leichtgewichtigen Ansatz zu verlieren. Während sich bei Scrum alles um das zu liefernde Inkrement dreht, fokussiert sich Kanban auf die Optimierung des Durchsatzes und Transparenz. Frei nach dem Motto mehr in schneller ist besser als weniger in länger. Kanban hat wenig mit der Qualitätsverbesserung zu tun, Scrum kann hier mit ganz anderen Prozessen auffahren.
Warum ein Pilotprojekt?
Bei uns kann jeder machen was er will, solange er macht was ich will. Kunden- oder Projekt-individuelle Prozesse sind in vielen Firmen oft offiziell schwer durchzusetzen, inoffiziell aber die Regel. Kanban hilft an dieser Stelle, weil es Abläufe transparent macht ohne etablierte Prozesse ersetzen zu müssen. Während Scrum für kleinere Projekte überdimensioniert ist, lässt sich quasi jedes beliebige Projekt auf Kanban umstellen. Kanban ist trotz aller Einfachheit ein Change im Unternehmen und sollte auch so behandelt werden. Kanban ist super gut darin, Engpässe und verkorkste Prozesse aufzudecken. Um diese Punkte vor einem generellen Rollout von Kanban zu identifizieren ist ein Pilotprojekt sinnvoll.
Und wenn es schief geht?
Die Einführung von Kanban kostet natürlich Zeit für die Schulungen zu Beginn. Üblich sind zwei Tage bei einer Gruppengröße bis zu zehn Personen. Auch bei Kanban muss man gewisse Dinge tun, die für den Kunden nur mittelbaren Wert haben. Bestes Beispiel: Karten schreiben und das Kanban Board führen. Wenn Kanban nicht funktioniert, sind diese Extraarbeiten für die Tonne. Es ist aber relativ einfach wieder zum alten System zurückzukehren.
Schritt null: Vorbereitung
Identifizieren sie ein mittelgroßes Projekt bei dem es noch was zu tun gibt und das kein Hochrisiko für die Firma bedeutet. Suchen Sie sich einen guten Platz und das Material für ein physikalisches Board, der auch für nach der Schulung geeignet ist. Digitale Boards sind nur für erfahrene Kanban Profis sinnvoll. Fordern Sie das Team auf alle Aufgaben zu sammeln, wie ist erstmal egal.
Schritt eins: Wissen ist Macht
Je nachdem wie viel Zeit Sie haben, beginnen Sie ein Pilotprojekt entweder mit einer Kanban Einführung (Dauer ca. 2 Stunden) über Geschichte, Zielsetzung und Vorteile oder wenn sie etwas mehr Zeit aufwenden wollen direkt mit einem Planspiel in Form eines vorbereiteten Beispielprojektes (das sie dann während einer 2 Tage Schulung begleitet). Achten Sie darauf, dass Sie den Hauptzweck von Kanban eindeutig herausstellen. Das ist meistens ein komplett anderes Ziel als das übliche Vor-Sich-Herwursteln. Das ist ein Strategiewechsel – erwarten Sie hier Widerstand, Fragen und Unsicherheit ob das das richtig ist. Adressieren Sie die offenen Fragen.
Schritt zwei: die Puzzelteile
Klären Sie nach den Grundlagen anhand dem Flow eines Beispielstickets wie die einzelnen Elemente von Kanban zusammen spielen. Legen Sie hier den Schwerpunkt darauf, warum die Dinge in Kanban so organisiert werden und den Nutzen der einzelnen Schritte. Hier kommen auch Themen zur Sprache wie Pull, Vorratshaltung oder Engpässe. Sie werden eine Menge Aha-Effekte erleben, wenn sich aus den einzelnen Teilen das große Bild ergibt.
Schritt drei: mehrere Tickets im System
Nachdem Sie im vorherigen Schritt den Fluss eines einzelnen Tickets durch das System demonstriert haben, kommen jetzt mehrere Tickets gleichzeitig in Spiel. Dabei können Sie WIP Limits festlegen, Avatare basteln, Swimlanes einführen, und andere Techniken erklären werden wie zum Beispiel Swarming und warum Slack gut ist. Hier bietet es sich auch an das Thema Waste und die verschiedenen Arten von Waste zu vertiefen.
Schritt vier: Scrumban
Jetzt sind üblicherweise Erklärbärtum oder Rollenspiele zu den Themen Grooming, Daily Standups, Reviews, Retro, Impediments Log, Ranking oder Definition of Done fällig. Bieten Sie alle Möglichkeiten an, Zeit und Motivation des Teams werden später zeigen was tatsächlich genutzt wird.
Schritt Fünf: Stop Starting Start Finishing
Erklären Sie nur das Motto von Kanban und beginnen Sie mit dem Aufbau des Boards für das konkrete Projekt. Das dauert relativ lange, weil wahrscheinlich Tätigkeiten in einer Vielzahl von Systeme gespeichert wurden und erst mal auf den Tisch gebracht werden müssen. Ziemlich wahrscheinlich haben Sie dann auch ein verdammt volles Backlog. Wenn das Board voll ist – hören Sie einfach auf. Demonstrieren Sie hier was Transparenz bedeutet, und wann weniger mehr ist.
Schritt Sechs: Starten Sie das Board.
Das erste Daily Standup ist jetzt fällig. Legen Sie die ersten Tickets via Ranking fest, oder stellen Sie den aktuellen In Arbeit Status dar. Ziemlich wahrscheinlich liegen Sie jetzt über allen WIP Limits. Passen Sie die Limits einfach an bis das System überhaupt starten kann. Oder arbeiten Sie direkt daran die Engpässe abzuarbeiten. Vereinbaren Sie die Daily Standup Zeiten, die erste Retro (nach einer Anzahl von Done Tickets ist ganz sinnvoll) und gehen nochmals auf das CFD ein.
Der weitere Verlauf
In den Dailys erfassen sie ebenfalls die Zeiten für das CFD, und erklären – sobald es die ersten Analysen zulässt – wie man es interpretiert. Ermutigen Sie das Team mit den WIP Limits zu experimentieren, und prüfen Sie welche Scrum Techniken für das Team funktionieren und einen Wert bringen. Coachen Sie dabei weitere Mitarbeiter um Sie zum Kanban Coach weiterzuentwickeln, und sich selber als Engpass überflüssig zu machen. Impediments Log immer schön abarbeiten nicht vergessen.
Zeitansätze für die Vorbereitung
Mit dem Planspiel führen Sie Schritt für Schritt das Beispielsprojekt in Kanban über. Das ist eigentlich genau was sie haben wollen, bedeutet aber natürlich, dass sie im Vorfeld alles vorbereiten müssen, damit das Spiel reibungslos läuft. Wenn sie das zum ersten Mal machen, müssen sie mit 2-5 Tagen Vorbereitungszeit rechnen. Aha. Doch so viel? Wir nehmen die Fähnchen bzw. die Schulung.
Weitere Zeiten
Wenn es arg pressiert können Sie die 2 Stunden Schulung auch auf eine halbe Stunde eindampfen. Für die weiteren Schulungsschritte bzw. Blöcke gilt: eine reine Basisschulung ohne viel Praxisbezug und Rückfragen geht schon in 4 Stunden. Mit Planspiel, Hintergrundwissen und Experimentieren oder vielen Insights dauert der Rest zwischen 4 und 8 Stunden. Die Umstellung eines Projektes auf Kanban mit Boardaufbau dauert ca. 4 Stunden. In der weiteren Betreuung für die ersten Wochen und Monate fallen pro Woche ungefähr 5-20 Stunden für den agilen Coach an, vor Ort.
Typische Kanban Stolpersteine
- Was ist mir dringenden Aufgaben?
- Was ist mit Aufgaben die auf Externe warten?
- Was tun wenn das WIP Limit erreicht ist, aber der Mitarbeiter nichts beim Swarming beitragen kann?
- Stark unterschiedliche Ticketgrößen.
- Wie funktioniert Ranking in der Praxis?
- Was ist Triage?
- Volatile Teams.
- Waiting auf alles und jeden.
- Der Kunde arbeitet seine Review Tickets nicht ab.
- 8 Projekte gleichzeitig, aber nur eine freie Wand.
Tl;dr
- Kanban Einführung ist einfach.
- Dauert ca. 1 – 2 Tage.
- Scrumban bringt mehr als Kanban.
- Physisches Board ist für das Lernen besser, und später sowieso.
- Hintergründe und Ziele von Kanban erklären – oft ein Dogmenwechsel.