Corona geht langsam zurück und wie der Ebbe die Flut folgt, so folgt das Management auch wieder dem Direktionsrecht: wer hier arbeitet, hat auch hier zu sein. Mindestens an einem Tag, oder auch 2,3,4, je nach Vertrauen in die Mitarbeiter (Modell X?).
Das ist sicher alles gut gemeint: die Mitarbeiter kommen wieder zueinander, mehr informelle Kommunikation außerhalb von Zoom & Teams Meetings im 1:1, im Büro sind nicht nur mehr die WGler ohne Chance auf eigenes Büro oder Leute mit schlechtem Internet. Alles fein und sinnreich.
Das bedeutet aber auch gemischte Teamevents mit Menschen vor Ort in einem Raum und Menschen die woanders sitzen. Früher waren alle online, jetzt trifft man sich wieder im Raum.
Das ist ja nichts Neues: wer gerne international arbeitet oder sich mit Offshore Teams vergnügt, kennt das zur Genüge.
Allerdings gilt es unter den Experten als ausgemacht, das das Hybride Meeting der fünfte Reiter der Online Apokalypse ist. Hybrid Meetings sind ausgrenzend, langweilig und haben einen so hohen Nebentätigkeitsfaktor, dass man locker an 2 oder 3 gleichzeitig teilnehmen kann.
Aber wenn das so offensichtlich und weit bekannt ist, warum machen die Unternehmen das dann?
Erste Erklärung: Snapback in alte Gewohnheiten, es dauert länger als 2 Jahren eine neue Meetingkultur zu verankern oder: die Komfortzone ist halt bequem.
Zweite Erklärung: Meetings werden nur ganz selten am Outcome gemessen, und das erkennt man relativ schnell an zwei ganz einfachen Dingen.
Viele Termine haben nicht mal eine Agenda. Die Folge: viele Teilnehmer können nur schlecht vorbereitet in den Termin gehen. Und zum anderen: der Outcome ist in der Einladung nicht definiert. Und natürlich die Rache des CC: man lädt jeden ein der auch nur vages Interesse an dem Thema haben könnte. Man sieht sich ja sonst nicht, und bloss nicht ausgrenzen: ergo bei Hybrid sind auch nicht mehr Schweine als Hühner anwesend.
Die geringe Wirksamkeit ist auch einer der Gründe, warum Follow-up inzwischen die Regel sind. Das verzögert nicht nur die Entscheidungsprozesse enorm, sondern killt durch die Meetingexplosion auch jeden Ansatz von Fokus und Effizienz.
Gut, mag man jetzt sagen, dass gilt aber auch für reine online Meetings. Ja, und eine Onlinemedienkultur zu adaptieren fällt auch nach zwei Jahren Corona vielen Unternehmen unglaublich schwer. Mischt man diese vorhandenen Schwierigkeiten aber jetzt noch mit einem Quäntchen hybride Desintegration, dann landen die Meetings bzw. die Teilnehmer direkt in der Vorhölle.
Wir werden uns trotzdem damit abfinden müssen, denn kulturelle Umstellung dauern eben nun mal sehr lange – wenn sie denn überhaupt passieren. Und darum hier meine fünf Tipps für bessere Hybride Meetings.
1. Jeder Teilnehmer bringt seinen Laptop mit.
Flipchart und Whiteboard werden nicht benutzt, dafür Miro, Mural und Conceptboard. Warum? Weil die Online Teilnehmers Flipchart nicht lesen können. Für -Firmen mit sehr üppigen Budget gibt es auch Digital Whiteboards. Die funktionieren gut, lassen aber maximal drei Menschen gleichzeitig daran arbeiten. Damit wären sämtliche Gruppenarbeitsformate direkt wieder vom Tisch.
2. Der Facilitator holt aktiv die online Teilnehmer ins Boot bzw. ins Gespräch.
Es muss nicht jeder zu jedem Thema etwas sagen, aber so verhindert man, dass die Raumgespräche in ihrer Dynamik die online Teilnehmer in den ersten 2 Minuten direkt abhängen.
Egal wie gut die Konferenzraumtechnik ist – die online Teilnehmer können weder die Gesichter erkennen noch Stimmen zuordnen und sind zudem gewöhnt, dass sie die Hand heben müssen um sprechen zu dürfen. Das führt dazu, dass der Sprachanteil der online Teilnehmer so gering ist, dass sie frustriert nur noch mit einem Ohr zuhören.
3. Diskussionsphasen onlineisieren.
Auch hier wieder ist der Facilitator gefragt: die Online Teilnehmer sollen in ihrem Worten wiederholen was sie aus den (heißen) Diskussionsphasen im Raum mitbekommen haben. Das ist aktives Zuhören und eine Feedbackschleife für die Offline Teilnehmer – so sie Feedback zugetan sind und das „nicht nervt“.
4. Socializing Time aktiv und smart einplanen.
Die Offline Teilnehmer haben natürlich den Vorteil der Verortung Gespräche vor und nach dem Termin, wenn Zoom und Teams schon lange aus sind. Das lässt sich eigentlich nur durchschlägt Time im Termin selber regeln und am einfachsten in dem die Meetings nicht 60 Minuten sondern nur von 5 nach bis 10 vor dauern. Die ersten 5 und die letzen 10 Minuten sind dann auch für Online Teilnehmer zur informellen Abstimmung nutzbar. Da jeder seinen Laptop dabei hat sind auch 1:1 relativ unproblematisch. Das die Offliner zusammenglucken, weil die (offline) Hose näher ist als der (online) Rock: dafür gibt’s keine Lösung, außer Gespräche aktiv einfordern.
5. Meetings kürzer und öfter machen anstatt in einem großen Block.
Eins der Gründe dafür das es hybrid Meetings überhaupt gibt, ist das nicht alle am selben Tag im Büro sind. Kürzere Termine sind meistens ergebnisorientierter, weil eine kurze Timebox stark fokussierend wirkt. Außerdem sind Timeboxen wie Saldostriche: am Ende des Meetings ist der Outcome klar und im nächsten Termin kann dort wieder gesichert angesetzt werden. Der ein oder andere kennt das aus Scrum: kurze Feedbackzyklen & Transparenz.
Das waren meine fünf Tipps. Wir sind ja alle im Herzen Empiriker, und deshalb ist eine der großen Fragen: wie misst man ob Meetings gut sind oder schlecht? Gerade als Facilitator gilt auch hier: was man nicht messen kann, kann man nicht managend. Was man nicht beobachten kann, ist eher eine Meinung.
Und daher gibt es noch einen sechsten Bonustipp: die Anzahl der Meetings, die ihren vorher definierten Outcome erreichen ist die Leitzahl. Meetings haben gar keinen Outcome in der Agenda? Zählt als kein Outcome, egal was rauskommt. Wenn man sich jetzt die Zahlen für online und hybrid Meetings im Vergleich anguckt, dann wird relativ klar welche Meetingsform der fünfte Reiter der Online Apokalypse ist. Und wer sich vorhin über die „Expertenmeinung“ aufgeregt hat, der kann mit diesen Zahlen selber zum Experten werden.